Angst ist ein schlechter Ratgeber

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Wusstest du, dass vom Notruf bis zum Eintreffen professioneller Hilfe in Deutschland durchschnittlich zwölf Minuten vergehen?

Keine Frage: Natürlich kann diese Zeit sehr stark variieren. Vor allem dann, wenn der eigentlich für dich zuständige Einsatzwagen in diesem Moment nicht verfügbar ist oder zum Beispiel die Witterung oder das alltägliche Verkehrschaos ein schnelles Eintreffen der Retter nicht ermöglicht, kann es natürlich durchaus auch mal 20 oder 30 Minuten dauern bis der nächste Rettungs- oder Notarztwagen bei dir zuhause oder auf dem Kinderspielplatz oder wo immer gerade Hilfe benötigt wird, eintrifft. Natürlich geht`s manchmal auch schneller: Zum Beispiel dann, wenn die Rettungswagenbesatzung zufällig gerade in dem Moment im Schnellrestaurant bei dir um die Ecke sitzt, wenn du den Notruf wählst.

Es geht hier wohlgemerkt nur um die Zeit vom Notruf bis zum Eintreffen der Rettungsprofis. Die Zeit davor, in welcher du dir vielleicht überlegst ob es überhaupt „schlimm genug“ für einen Notruf ist, wenn dein Kind plötzlich so schwer atmet oder ob es nicht besser wäre erstmal den niedergelassenen Kinderarzt oder die beste Freundin anzurufen wird hier nicht berücksichtigt.

Zwölf quälend lange Minuten dauert es also durchschnittlich bis professionelle Hilfe im Notfall eintrifft. Diese Zeit kommt dir im Notfall wahrscheinlich wie Stunden vor. Aber ist das nur eine subjektive Empfindung oder sind zwölf Minuten möglicherweise wirklich zu lange? Lass uns doch dieser Frage an einem beispielhaften Notfall auf den Grund gehen:

Es kommt sehr selten vor, aber leider geschieht es in ganz wenigen Fällen doch, dass ein Kind plötzlich damit aufhört zu atmen. Aus jahrzehntelanger Forschung weiß man, dass ein Kind in einem solchen Notfall, mit jeder Minute die verstreicht, ungefähr zehn Prozent an Überlebenswahrscheinlichkeit verliert. Zehn Prozent pro Minute! Das muss man erst mal sacken lassen!

Vergleicht man nun die beiden Zahlen miteinander, so stellt man fest, dass, rein statistisch, ein Kind in Deutschland einen solchen Notfall nicht überleben kann, denn wie wir inzwischen wissen kommt der Rettungswagen durchschnittlich mindestens zwei Minuten zu spät!

Die gute Nachricht dabei ist: Durch sofort eingeleitete Erste-Hilfe-Maßnahmen lässt sich die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Kindes, vor allem in sehr schweren Notfällen, um ein Vielfaches erhöhen. Aber dazu muss man auch etwas tun! Einfach nur den Notruf zu wählen und tatenlos zu warten, bis die Retter eintreffen, reicht in den meisten Notfällen leider nicht aus.

Es geht im medizinischen Notfall beim Kind also wirklich darum, diesen Zustand schnell zu erkennen und dann gezielt und richtig zu handeln. Gerade in den besonders schweren Fällen hat das Kind dann eine deutlich höhere Überlebenschance und muss, nebenbei bemerkt, zukünftig mit weniger Folgeschäden zurechtkommen. Denn selbst wenn ein Kind rechtzeitig gerettet werden kann, stellt sich immer noch die Frage in welchem Zustand das Kind überlebt, nachdem es mehrere Minuten lang nicht mit Sauerstoff versorgt wurde.

Nun ist es so, dass in Deutschland nur ungefähr 30 % der Notfallzeugen im Notfall Erste-Hilfe leisten. Ich meine damit übrigens mehr zu tun, als nur den Notruf zu wählen. Nur dreißig Prozent! Auch das ist eine erschreckende Zahl, denn im Umkehrschluss bedeutet das ja, dass die allermeisten Menschen vielleicht noch den Notruf wählen, aber darüber hinaus nichts tun. Warum ist das wohl so? Was ist der Grund dafür, dass nur so wenige Menschen im Notfall Hand anlegen und aktiv etwas tun? Es ist die Angst davor, im Notfall etwas falsch zu machen! Keine Frage: Es gibt sicherlich viele weitere Gründe dafür, aber die Angst davor, im Notfall etwas falsch zu machen, ist der mit Abstand am meisten genannte Grund dafür, warum im Notfall nur eher selten mit lebensrettenden Maßnahmen begonnen wird. Da diese Angst offenbar ein grundlegendes Problem und auch weil Angst generell ein schlechter Ratgeber ist, halte ich es für wichtig an dieser Stelle etwas tiefer zu gehen und zu differenzieren. Wir müssen nämlich die Angst vor dem Notfall beim Kind an und für sich und die Angst davor, in der Notfallsituation etwas falsch zu machen, unterscheiden:

Die Angst vor dem lebensbedrohlichen Notfall bei einem Kind an und für sich, vielleicht sogar bei deinem eigenen Kind, ist verständlich und wahrscheinlich völlig normal. Vielleicht ist sie, in gesundem Maße, sogar gut, denn sie sorgt dafür, dass wir präventiv unterwegs sind und unser Kind keinen unnötigen Gefahren aussetzen.

Die Angst davor aber, wenn es dann zum Notfall gekommen ist, etwas falsch zu machen – die ist eben unbegründet! Denn die Erste-Hilfe Maßnahmen, also die Dinge, die man im Notfall ganz praktisch tut, sind viel einfacher, als du vielleicht glaubst. Auch ist Erste-Hilfe viel weniger dogmatisch, als du vielleicht bereits gehört hast. Im Notfall kommt es sicherlich nicht darauf an, theoretisch gelernte Maßnahmen exakt und dogmatisch, ohne darüber nachzudenken, durchzuführen. Viel wichtiger ist es, ein grundlegendes, ganz einfaches Verständnis davon zu haben, wie der kindliche Körper funktioniert und zu verstehen auf welche wenigen Punkte es in lebensbedrohlichen Situationen beim Kind tatsächlich ankommt.

Im Notfall gibt es tatsächlich wenig, was du falsch machen kannst. Dennoch: Die oft bemühten Plattitüden „Hauptsache man tut überhaupt irgendetwas“ und „Man kann bei der Ersten-Hilfe nichts falsch machen“ stimmen nun eben auch nicht. Denn wenn du schon Erste-Hilfe leistest, dann bitte auch richtig. Wie in allen anderen Lebensbereichen auch, gibt es auch in der Ersten-Hilfe Dinge, die nun mal falsch und Dinge die richtig sind. Und wenn man im medizinischen Notfall beim Kind einfach „irgendwie irgendetwas“ tut, dann müsste man schon enorm viel Glück haben, dass dies im jeweiligen Fall auch zufällig richtig und hilfreich ist.

Es sind nur wenige Grundlagen, die du wissen musst, um deinem Kind im Notfall helfen zu können. Diese solltest du aber wirklich kennen und auch verstehen.

In unseren Kursen in Erster-Hilfe am Kind erhältst du ein einfaches aber grundlegendes Verständnis davon, wie der kindliche Körper funktioniert und auf welche wenigen Punkte es in lebensbedrohlichen Situationen beim Kind tatsächlich ankommt.

Also: Melde dich jetzt zu einem unserer Kindernotfallkurse an. Wir freuen uns auf dich!