„Kind, 6 Jahre, akuter Erstickungsnotfall“

Wirklich so passiert:

„Kind, 6 Jahre, akuter Erstickungsnotfall“ steht in großen Buchstaben auf dem kleinen Monitor des Funkgerätes unseres Rettungswagens. Vor wenigen Sekunden hat uns der schrille Alarm unserer Funkmeldeempfänger darüber informiert, dass wieder mal jemand dringend unserer Hilfe bedarf.  Nun liegt die Pizza halbfertig im Backofen und wir bahnen uns mit Blaulicht und Tatütata den Weg durch den samstäglichen Verkehr einer beschaulichen Kleinstadt in Süddeutschland.

„Ist doch eh wieder halb so wild“ sage ich zu Julia, meiner Kollegin am Steuer, während ich betont lässig im Beifahrersitz hänge und darüber nachdenke, ob wir wieder mal vergessen haben den Backofen auszuschalten. „Das kann man nie wissen, in unserem Job gehen wir immer von schlimmsten aus,“ belehrt mich Julia, während Sie unser lautes, blinkendes Monstrum mühsam zwischen einem Reisebus voll fröhlich winkender Kinder und einem Mercedes mit einem maßlos überforderten, älteren Mann am Steuer manövriert. Julia ist frisch examinierte Notfallsanitäterin und lechzt geradezu danach, ihr erworbenes Wissen in einem möglichst extremen Fall anwenden zu dürfen, während ich diese Phase bereits seit ein paar Jahren hinter mir habe und einfach nur hoffe, dass auch dieser Kelch schnell an uns vorübergeht und wir zurück auf unsere gemütliche Wache fahren können – die bis dahin hoffentlich noch nicht abgebrannt ist.

Als wir jedoch vier Minuten später an der gemeldeten Adresse eintreffen bin auch ich plötzlich hellwach. Meistens ist es ja halb so wild, aber dieses Mal muss es wirklich schlimm sein. Ich kann mich nicht daran erinnern, so etwas schon mal gesehen zu haben und auch Julia schaut völlig irritiert auf die Szenerie. Es müssen 40, wenn nicht 50 Menschen sein, die sich vor dem Haus weinend, ja schreiend, in den Armen liegen. Das muss schlimm sein! Wir steigen also schnell aus, nehmen unser Equipment mit und betreten das Haus. Nach mehrfachem Nachfragen erfahren wir, dass wir wohl mitten in eine Hochzeitsfeier geplatzt sind und schnell in den dritten Stock des betagten Wohnhauses kommen sollen. Als wir dort eintreffen, spüre ich, wie mein Herz inzwischen bis zum Halse schlägt. Ich stelle mich auf ein furchtbares Szenario ein, denn in der Wohnung stehen bestimmt 40 weitere Menschen in schicken Anzügen und Kleidern, die sich schreiend in den Armen liegen. Das Geschrei ist ohrenbetäubend und ich spüre, wie der Stress so langsam auch bei mir überhand nimmt und versuche nun bewusst ruhig und langsam zu atmen.

Nach kurzer Zeit weist uns eine ältere Frau, mit tränenverschmierter Schminke im Gesicht, den Weg zum Schlafzimmer. In dem spärlich eingerichteten Zimmer steht ein großes Bett. Rings darum stehen weitere zehn aufgelöste, laut schreiende Menschen, die uns den Blick und auch den Weg zum Bett versperren. Nun wird es aber Zeit die Lage in den Griff zu bekommen!

„Machen Sie sofort Platz, sonst können wir Ihrem Kind nicht helfen!“, rufe ich laut und schiebe die Umstehenden zur Seite. Was ich dann sehe ist tatsächlich äußerst dramatisch: Ein Mädchen, es mag vielleicht sechs oder sieben Jahre alt sein, liegt mit weit aufgerissenen Augen im Bett, wo Sie von mindestens zehn Händen fest auf die Matratze gedrückt wird. Es scheint wirklich zu ersticken! Es ringt nach Luft. Die Augen sind weit aufgerissen, die Hände seltsam verkrampft und im Gesicht des Kindes spiegelt sich echte Todesangst wider.

Bist du erstaunt, wenn ich dir sage, dass das Kind im Grunde „nichts“ hatte? Also kein organisches Problem? Keine Verletzung? Kein lebensbedrohlicher Zustand? Bist du verwundert, wenn ich dir sage, dass dieser Fall tatsächlich in zehn Minuten erledigt war und wir wieder zu unserer, glücklicherweise nicht abgebrannten, Wache zurückfahren konnten?

Das Kind in diesem Fall war tatsächlich in keinem lebensbedrohlichen Zustand, auch wenn der erste Eindruck ein völlig anderer war. Das Kind war einfach nur gestresst. Es hat hyperventiliert. Ein Zustand, der sich furchtbar anfühlt, aber im beschriebenen Fall völlig harmlos war. Tatsächlich verabschiedete uns das kerngesunde Kind mit einem schüchternen Lächeln, als wir zehn Minuten später mit einer großen Tüte voll orientalischem Süßgebäck die Wohnung verließen und uns von der Hochzeitsgesellschaft verabschiedeten.

Was wir getan haben? Im Grunde haben wir einfach nur alle beruhigt – einschließlich uns selbst. Okay, da war dann noch der Notfall-Teddy, der unserer kleinen Patientin dabei half, einfach nur langsamer zu atmen und zur Ruhe zu kommen. Aber alles in allem war dieser Fall schnell erledigt.

In unseren Notfallkursen geht es um lebensbedrohliche, medizinische Notfälle bei Kindern. Grundsätzlich sind derartige Situationen in Deutschland  glücklicherweise verhältnismäßig selten. Auch der eben beschriebene Fall, der sich wirklich genau so zugetragen hat, zeigt deutlich, dass sogar in vielen Fällen, die auf den ersten Blick sehr dramatisch erscheinen, bei näherem Hinschauen, halb so wild sind. Unterschätzen solltest du dieses Thema jedoch keineswegs, denn kommt es zu einem lebensbedrohlichen Notfall bei einem Kind, solltest du einen solchen Zustand unbedingt schnell erkennen und dann gezielt und richtig handeln.

In Deutschland legen nur ca. 20 % der Notfallzeugen Hand an. Das heißt im Umkehrschluss, dass der Rest, also der weitaus größere Teil, nichts weiter tut, nachdem Sie (hoffentlich zumindest) den Notruf gewählt haben. Das ist fatal, denn aktuelle Zahlen zeigen sehr deutlich, wie wichtig diese lebensrettenden Maßnahmen tatsächlich sind. In besonders schlimmen Fällen sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Kindes mit jeder Minute um zehn Prozent – wenn keine Erste-Hilfe-Maßnahmen durchgeführt werden bis professionelle Hilfe eintrifft.

Der Hauptgrund für diese prekäre Lage ist, dass die meisten Menschen davor Angst haben, im Notfall, vor allem beim Kind, etwas falsch zu machen. Und genau hierum geht es in unseren Kursen:  Ziel ist es, dir diese Angst zu nehmen und im Austausch Sicherheit für den seltenen Fall der Fälle geben. Dies gelingt nicht durch das theoretische Aufzählen und Beschreiben von Diagnosen und Krankheitsbildern, sondern dadurch, dass du ein grundlegendes und ganz einfaches Verständnis darüber erhältst, was bei einem medizinischen Notfall im Körper des Kindes geschieht, weshalb welche Notfallzeichen entstehen und was im Fall der Fälle zu tun ist. Was du in unseren Kursen nicht finden wirst sind Dogmatismus und Horrorgeschichten!

Also, melde dich am besten jetzt gleich zu einem unserer Kindernotfallkurse an und lerne, wie du lebensbedrohliche Notfälle  beim Kind erkennst und was dann zu tun ist. Da du diesen Beitrag gelesen hast, weißt du ja immerhin bereits, wie wichtig Beruhigung im Notfall (nicht nur beim Kind) ist ;).